Die abschließende Lesung in Prillwitz am 20. August 2020

© Reiner Mnich
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In einem kleinen Ort nahe Neubrandenburg kann man Zeuge der unterschiedlichsten Klänge und Geräusche werden, die den Sommer in der mecklenburgischen Provinz ausmachen. Man hört die Rufe der Kormorane vom See, die Flugzeuge Trollenhagens, das Summen unzähliger Insekten, eine Schar Kinder, die zum Baden fährt. Und man hört junge Schriftsteller:innen, die den Ort in dieser Augustwoche noch lebendiger gemacht haben.

Im Garten des Begegnungszentrums hat sich die kleine Gruppe versammelt, die, obwohl sie sich erst seit wenigen Tagen kennt, nicht nur auf Formularen wie ein Familienhaushalt agiert. Einige der jungen Schriftsteller:innen stehen auf den Eingangsstufen und sprechen lachend über ihre Schaffensprozesse und Inspirationsquellen. Stühle und Aufnahmetechnik werden im Hintergrund aufgebaut. Im Haus sitzen die restlichen Teilnehmer:innen vertieft an ihren Laptops und nehmen letzte Änderungen vor. Die abschließende Lesung steht an; das Poetencamp 2020 neigt sich dem Ende zu. Bereits seit fünf Tagen haben die sechs Stipendiat:innen unter der Anleitung von Isabelle Lehn und Bertram Reinecke an ihren Werken gearbeitet, an diesem Abend stellen sie ihre Ergebnisse vor.
Ein letztes Mal wird gemeinsam zum örtlichen See gegangen. Auf einer Insel mit verdorrten Bäumen thronen die etwa achtzig Vögel, deren Anblick starke Inspiration liefern konnte.

Dieses Jahr ist vieles anders, und so lesen die Autor:innen ihre fertigen Texte nur vor einem kleinen Publikum und auf einer Bank im Garten, statt in einer der Literaturstätten Mecklenburg-Vorpommerns.
Wir hören Gedichte, Auszüge aus Romanen unterschiedlichster Art, eine Rede. Die Themen sind oft ernst, es geht um die Zukunft einer Stadt in einer vom Klimawandel zerstörten Natur, um eine Reflexion der terroristischen Anschläge der vergangenen zwanzig Jahre, um die Gnadenlosigkeit des Spätkapitalismus. Doch wir hören ebenso Auszüge, die von zwischenmenschlichen, emotionalen Dingen handeln: Ein Paartanz eines Dachses mit einer Elster, eine Kommune in Mecklenburg, deren Bewohner:innen ein Leben teilen, eine autofiktionale Erinnerung an eine Reise nach Frankreich, eine Unterhaltung zwischen zwei Menschen, die doch fantastischer sind, als sie auf den ersten Blick zu sein scheinen.

Doch so unterschiedlich die eigenen Texte auch sind, die Gruppentexte, die jeweils von einer Person begonnen und dann vom Rest vervollständigt wurden, sind so einheitlich und abgestimmt, dass man nicht erkennen kann, wer mit dem Schreiben angefangen hatte. „Die Kormoran-Chroniken“ werden im Stehen gelesen, passend dazu hört man die Rufe der Vögel vom See schallen.

Nach der Lesung ist die Stimmung gelöst, es wird gemeinsam gekocht, ausgewertet. Alle sitzen gemeinsam am Tisch und sprechen darüber, wie es jetzt nach dem Camp weitergeht. Isabelle Lehn und Bertram Reinecke sind sehr zufrieden und auch stolz auf die Leistungen der Teilnehmer:innen – es wurde viel geschafft und mitgenommen, die Texte sind prägnant und ausdrucksstark, Fragen zum Literaturbetrieb wurden beantwortet. Es schwingt ein bisschen Wehmut mit, Prillwitz bald verlassen zu müssen, doch die Vorfreude auf nächstes Jahr ist bereits groß.

Die komplette Gartenlesung zum Nachhören und Ansehen haben wir hier hochgeladen - alternativ findet man sie auch auf Youtube.

Wir bedanken uns erneut beim Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur für die Förderung des Poetencamps 2020.