Programmarchiv Literaturhaus Rostock

04. April 2017 | 20:00 Kerstin Preiwuß: »Nach Onkalo«

Lesung & Gespräch, Moderation: Ulrika Rinke (Programmleiterin, Literaturhaus Rostock)[mehr]

Weite Flächen, schräge Taubenzüchter und Straßen voller Schlaglöcher stehen für die trostlose Gegend, die die Autorin Kerstin Preiwuß in ihrem Roman beschreibt. Sie wird nur noch von wenigen bewohnt, unter ihnen Matuschek, die Hauptfigur des Romans, aus dessen Perspektive der Leser das Geschehen erlebt. Matuschek, wie man ihn in der Lesung kennenlernte, ist ein einfacher Mann, der in einer einfachen Welt lebt, gern beobachtet und damit zufrieden ist. Allerdings steht er als Außenseiter eher am Rand der Gesellschaft und verliert gleich zu Beginn eine wichtige Stütze und Konstante in seinem Leben, seine Mutter, womit er erst einmal lernen muss umzugehen. Bei der Bewältigung seines Alltags und seiner Trauer hilft ihm sein Nachbar, der Russe Igor – in ihm findet er nach und nach einen Vertrauten, den Preiwuß in einem weiteren Abschnitt der Lesung vorstellte.

Die Autorin – aufgewachsen in Plau am See und in Rostock – kennt Land und Leute. Sie hob im Gespräch mit dem Publikum hervor, dass „Nach Onkalo“ kein weiterer Dorfroman sei – es wird kein Kaleidoskop an Perspektiven auf das Zusammenleben geboten. Die Herausforderung, aber auch der Reiz beim Schreiben habe darin bestanden, sich auf die Sicht und das Vokabular von Matuschek einzuschränken. Dadurch kam man diesem auf den ersten Blick unscheinbaren Menschen auch an diesem Abend sehr nahe. Nicht zuletzt in der Beziehung zu seinen Tauben, um die er sich kümmert und für die er „ein Gespür hat“, lernt man Matuschek kennen. Um sich auf diesem speziellen Gebiet auszukennen, hat Preiwuß intensiv recherchiert und u.a. eine Taubenzüchterausstellung besucht – dass ihr diese Schilderungen ebenso gelungen sind wie die Angelszenen mit Igor, bestätigte das Publikum im Gespräch.

„Nach Onkalo“ beschreibt gelegentlich fast humorvoll die Situation der ländlichen Gebiete und ihrer Bewohner, deren Schicksal Preiwuß beschäftigt und auch die Zuhörer bewegte. So still das Buch daherkommt, so relevant und aktuell ist dieses fiktive Einzelschicksal eines Mannes, der in den Augen der Gesellschaft zu den „Abgehängten“ gehört – dieses Wort habe sie durch die Rezensionen ihres Romans neu gelernt, so Preiwuß. Doch auch für scheinbar einfache Menschen geht es um die großen Fragen: Wo ist mein Platz in der Welt, warum lohnt es sich zu leben, wo finde ich etwas Glück?

Ein Lesungsrücklblick von Carolin Brandenburg (Praktikantin im Literaturhaus Rostock).
Literaturhaus Rostock, Doberaner Straße 21, 18057 Rostock