Programmarchiv Literaturhaus Rostock

28. Februar 2017 | 20:00 Clemens Schittko & Mara Genschel: Eine ganz normale Lesung

Keine Musik und nur wenige Betriebsgeräusche[mehr]

»Genschel setzt auf (…) die Abwehr aller gefälligen Literaturrituale, auf Poesie als Störfall.« (Michael Braun, DIE ZEIT)

Und doch war es wohl die »normalste« Lesung seit langem mit Mara Genschel, die ihr ganzes neues roughbook »cute gedanken« vortrug: ein Gedichtband, der eine Stipendienreise in die USA beschreibt. Notiert wurden die Texte (»Eigentlich sind es keine Gedichte«, sagte Genschel) auf einem amerikanischen Telefon, dessen Autokorrektur sich beim Schreiben einmischte - diese Fehlleistungen baute Genschel glänzend in ihren Vortrag ein. Dazu gab es sogar etwas Musik, produziert von der Autorin selbst. So vergnügt und angerührt hat man sich wohl selten gefühlt, nachdem man in die Abgründe und gemischten Saunen des Literaturbetriebs geblickt hat.

»Die Gratwanderung, die Clemens Schittko mit seinem literarischen Gestus stets hinlegt, ist (…) die zwischen dem Gelächter und dem Entsetzen, die auftreten, wenn sich ein bestimmtes Bündel Sprach- oder Empfindungsmaterial unhintergehbar als fundamental Scheiße herausstellt (und zwar eben: dazu gebracht wird, sich selbst so zu entpuppen).« (Stefan Schmitzer, fixpoetry)

Mit Clemens Schittko ging es in einen rauen Teil der Welt, der zunächst literaturfern scheint: »Die Menschen sind doch einfach dumm« - dieses Thema wurde in Schittkos erstem Gedicht beachtlich variiert und die Grundthese dabei immer wieder zementiert. Ist das schon eine Publikumsbeschimpfung? Wenn ja, so war das Rostocker Publikum nicht leicht zu beleidigen; Zugaben wurden gefordert.

Nicht ganz nebenbei erfuhr man auch, was Familienangehörige so über das literarische Schaffen und den Lebensentwurf von Autoren denken - nicht immer schmeichelhaft, aber oft auch unterhaltsam: »Meine Meinung dazu kennst du ja / Dazu äußere ich mich nicht mehr«

Gut, dass nicht wenige Autorinnen und Autoren trotzdem weitermachen. Und unsere nächste Lyrik-Reihe kommt bestimmt!


Mara Genschel, geboren 1982 in Bonn, lebt in Stuttgart. Nach dem Gedichtband »Tonbrand Schlaf« und dem Künstlerbuch »Vom Nachtalpenweg« startete sie 2012 ihr eigenes Publikationskonzept »Referenzfläche«, in dem sie Texte mit handschriftlichen und anderen manuellen Eingriffen realisiert und in kleinen Auflagen zum Selbstkostenpreis vertreibt. Der 2015 von Bertram Reinecke herausgegebene Materialband »Mara Genschel Material« enthält Faksimiles dieser Arbeiten sowie begleitende Essays von Kritikern und Kollegen. Im Frühjahr 2017 erscheint ein konzeptuelles Gedicht unter dem Titel: »Cute Gedanken« als roughbook (www.roughbooks.ch).

https://referenzflaeche.com/
https://hoeherevasen.wordpress.com/

Clemens Schittko, geboren 1978 in Berlin (Ost), ist ausgebildeter Gebäudereiniger und Verlagskaufmann und lebt in Berlin. Er arbeitete u. a. als Fensterputzer, Lektor, Beifahrer, Kirchwart, Friedhofsgärtner und Barkeeper. Er ist Mitherausgeber des »Schwarzbuchs der Lyrik 2016«. Zuletzt erschien von ihm »Ein ganz normales Buch« im freiraum-verlag (2016). Clemens Schittko wurde ausgezeichnet mit dem »lauter niemand preis für politische lyrik« 2010.

21. Februar 2017 | 20:00 Kerstin Preiwuß & Dagmara Kraus: Lyrik an Musik

Lesung, Gespräch und Konzert mit Marten Pankow // Moderation: Ulrika Rinke (Literaturhaus Rostock) [mehr]

Dagmara Kraus und Kerstin Preiwuß tragen vor und lassen sich womöglich im Gespräch auch in die poetologischen Karten schauen. Doch der Dialog besteht nicht nur aus Sprache: »Lyrik an Musik« unternimmt gemeinsam mit dem Gitarristen Marten Pankow das Experiment, im Spannungsfeld der beiden Künste Gemeinsamkeiten und Unterschiede auszuloten.

Wie verhält sich Lyrik zur Musik und umgekehrt? Was bewirkt der poetische Blick mit unserer Wahrnehmung, was vermögen Rhythmus und Klang? Kerstin Preiwuß, geboren 1980 in Lübz (Mecklenburg), studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig (DLL) und lebt als freie Autorin mit ihrer Familie in Leipzig. 2006 debütierte sie mit dem Gedichtband »Nachricht von neuen Sternen«, 2012 folgte ihr zweiter Gedichtband »Rede«, der von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in die Liste der Lyrikempfehlungen des Jahres aufgenommen wurde. Zuletzt erhielt sie den Mondseer Lyrikpreis. 2014 erschien ihr vielbeachtetes Romandebüt »Restwärme«, 2016 ihr Lyrikband »Gespür für Licht« im Berlin Verlag. Im Frühjahr 2017 erscheint dort ihr zweiter Roman »Nach Onkalo«. Kerstin Preiwuß ist Mitglied des P.E.N. Mehr über die Autorin unter http://kerstin-preiwuss.de/

Dagmara Kraus, 1981 in Wrocław (Polen) geboren, studierte Kompa­ra­tistik und Kunst­geschichte in Leipzig, Berlin und Paris sowie Lite­rari­sches Schreiben am DLL. Sie schreibt Gedichte und übersetzt aus dem Polnischen und Engli­schen. Es sind mehrere Lyrik­bän­de von ihr er­schie­nen, u. a.: »kummerang« (Berlin, kook­books 2012), »das vogelmot schlich mit geknickter schnute« (Berlin, kook­books 2016) und das »wehbuch« (roughbooks 2016), das die Autorin in Rostock vorstellen wird. Dagmara Kraus über­set­zt u. a. aus dem Werk von Miron Białoszewski: »Wir See­sterne« (Leipzig, Reinecke & Voß 2012) sowie »Frédéric Forte – Anthologie der bulgarischen Musik vol. 2« (hochroth Verlag 2016).

Marten Pankow, geboren 1990 in Magdeburg, ist Absolvent der HMT. Er war Mitglied der Punkband Antispielismus und ist als Gitarrist an Projekten wie Loopmilla (Live-Hip-Hop) und Elektrant beteiligt. Neben seinem Studium (Pop- und Weltmusik Gitarre) beschäftigte er sich intensiv mit elektronischer Musik. Marten Pankow unterrichtet an der Rock- und Popschule Rostock. Zuletzt wirkte er am Volkstheater Rostock bei der Dramatisierung von Erik Neutschs »Spur der Steine« mit. Eintritt: 10,- € / erm. 6,- €; Vorverkauf im Pressezentrum oder ONLINE. Kombiticket hier erhältlich! Ort: Hochschule für Musik und Theater (Orgelsaal), Beim St.-Katharinenstift 8, 18055 Rostock

11. Februar 2017 | 20:00 Gomringer & Scholz: PENG PENG PENG

Poetry Performance: Lyrik trifft Schlagzeug[mehr]

Philipp Scholz lauscht.
Nora Gomringer atmet ein, Scholz holt aus, Gomringer setzt an, Scholz trommelt, Gomringer spricht und PENG PENG PENG.

Es entsteht alte Magie in neuem Gewand: Jazz & Rezitation. Die Mixtur: das Wort und der Takt, gleichermaßen Humor und Tiefsinn, ein Mikrofon, ein Schlagzeug und zwei begnadete Künstler: Nora Gomringer rezitiert eigene Texte sowie Zeilen aus der gesamten Weltliteratur – von Dorothy Parker zur experimentellen Literatur des 20. Jahrhunderts und großen Klassikern.

Der Jazz-Drummer Philipp Scholz gibt den Takt an, begleitet Gomringers wilden Wortritt, leitet, stört die Sprecherin und pointiert sie. Gemeinsam sorgen sie auf der Bühne für einen fatallyrischen Knall der Extraklasse.

Eintritt: 10,- € / 6,- € ermäßigt*
Vvk. im Pressezentrum (Neuer Markt) bzw. unter diesem Link.
Mehr Poesie wagen! Alle 3 Lyrik-Veranstaltungen zum Preis von 2 mit dem Kombiticket - hier.

Ort: Literaturhaus Rostock im Peter-Weiss-Haus (Möckelsaal), Doberaner Str. 21, 18057 Rostock

* Ermäßigung für SchülerInnen, StudentInnen, Warnowpass-InhaberInnen, Mitglieder im Literaturhaus Rostock e. V. und AbonnentInnen des BÜCHER-Magazins

07. Februar 2017 | 20:00 Tilman Rammstedt: »Morgen mehr«

Lesung & Gespräch im Rahmen der LiteraTour Nord // Moderation: Prof. Dr. Lutz Hagestedt (Universität Rostock) // Ort: andere buchhandlung[mehr]

Sommer 1972: Das ganze Leben liegt noch vor dem Erzähler. Er sieht es alles schon vor sich, er freut sich darauf. Das Problem ist nur: Er ist noch nicht geboren. Um genau zu sein, ist er nicht einmal gezeugt worden, seine zukünftigen Eltern wissen noch nichts voneinander und beide haben im Moment ganz andere Sorgen: Seine Mutter ist im Begriff, einem schwermütigen Südfranzosen zu verfallen, während sein Vater gerade mit einbetonierten Füßen in den Main geworfen wird.

Klingt spannend und aberwitzig? Ist es auch! Wie es dem Erzähler gelingt, die beiden in herzzerreißend komischen, aber auch ebenso traurigen Abenteuern zueinander zu führen, ist größtes Fabulierfeuerwerk.
»›Morgen mehr‹ macht süchtig.« (Deutschlandfunk)

Für Hochspannung sorgte auch die Entstehung des Buchs, mindestens beim Autor selbst. Denn begonnen hat »Morgen mehr« als Online-Projekt: Mit einem Abo konnte man täglich ein neues Kapitel lesen, das der Autor am Vortag verfassen musste - Schreibblockaden durfte es nicht geben. Inzwischen ist »Morgen mehr« vollständig in Buchform erschienen, sodass Tilman Rammstedt in aller Ruhe vom täglichen öffentlichen Schreiben und dessen Vorteilen für prokrastinierende Autoren berichten kann. Tilman Rammstedt wurde 1975 in Bielefeld geboren, er lebt in Berlin. 2003 erschien sein Debüt »Erledigungen vor der Feier«, es folgten die Romane »Wir bleiben in der Nähe« (2005), »Der Kaiser von China« (2008), »Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters« (2012) und »Morgen mehr« (2016). Er wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, u. a. mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis für das erste Kapitel von »Der Kaiser von China«, und dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis.
Tilman Rammstedt schreibt auch im literarischen Blog Freitext von ZEIT ONLINE: http://www.zeit.de/freitext/author/tilman-rammstedt/

Eine gemeinsame Veranstaltung mit der Universität Rostock und der anderen buchhandlung im Rahmen der LiteraTour Nord 2016/17.

Karten: 9,- € / 7,- € erm.
Vvk.: andere buchhandlung

Ort: andere buchhandlung, Wismarsche Str. 6/7, 18057 Rostock

02. Februar 2017 | 17:00 Alexandra Senfft: »Der lange Schatten der Täter. Nachkommen stellen sich ihrer NS-Vergangenheit«

Lesung & Gespräch zum Gedenktag der Opfer das Nationalsozialismus // Ort: Frieda 23[mehr]

Das Schweigen der Täter, unbearbeitete NS-Verbrechen und Traumatisierungen durch den Zweiten Weltkrieg wirken kaum bemerkt bis heute nach. Still prägen sie als »vererbtes« Leid das Leben vieler Menschen, beschädigen Biografien und Beziehungen, beeinflussen die Politik.

Eingebettet in die aktuelle Forschung erzählt Alexandra Senffts Reise durch das Erinnern, wie das Schweigen zur Last wird. Ihr Buch stellt unbequeme Fragen gegen das Verdrängen: Weshalb wurden Täter in Opfer verkehrt, welche Rollen spielen Schuld und Scham – und gibt es so etwas wie Gerechtigkeit?

Sensibel und klug zeigt dieses Buch den Nachkommen der Kriegsgeneration Wege, sich auf heilsame Weise mit ihrem Erbe auseinanderzusetzen – und macht durch das Erinnern aus der Last der Vergangenheit eine Chance für unsere Gegenwart und Zukunft. Anlässlich des Gedenktages der Opfer des Nationalsozialismus laden wir in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung MV zu Lesung und Gespräch ein.

Alexandra Senfft
ist Islamwissenschaftlerin und Publizistin. Zu ihren  Themenschwerpunkten gehören u.a. der Nationalsozialismus, der Dialog mit den Opfern, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit sowie der Nahostkonflikt. In ihrem Buch "Schweigen tut weh. Eine deutsche Familiengeschichte" schreibt sie vom Umgang ihrer Familie mit dem Erbe ihres Großvaters Hanns Ludin. Ludin war Gesandter des Dritten Reichs in der Slowakei und maßgeblich an der Deportation der slowakischen Juden beteiligt.

Ort: FRIEDA 23, Studio, Friedrichstraße 23, 18057 Rostock

Eintritt: 4,- €/ 2,- € ermäßigt