Programmarchiv Literaturhaus Rostock

18. Oktober 2016 | 20:00 ARTE-Filmpremiere: „Fallada – Im Rausch des Schreibens“

Doku-Drama von Christoph Weinert, ARTE/NDR 2016, 52 Min. Filmvorführung & Gespräch mit Fallada-Expertin Dr. Sabine Koburger[mehr]

„Kleiner Mann, was nun?“- Kein anderer Schriftsteller beschrieb die Situation und Gemütswelt der Menschen in den frühen zwanziger Jahren mit solch einer Präzision wie Hans Fallada. Als Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern lag, verfasste der Autor seinen letzten Roman. Fast siebzig Jahre später, als das Buch erstmals in englischer Übersetzung erscheint, avanciert „Jeder stirbt für sich allein“ zum internationalen Bestseller, die Verfilmung kommt im November in die Kinos.  

Dieses Doku-Drama, das wir vor der Erstausstrahlung auf ARTE zeigen, befasst sich mit dem vielschichtigen Charakter und der inneren Zerrissenheit des Romanautors. Es liefert einen tiefen Einblick in das Leben des Trinkers, Morphinisten und mehrfach unter Mordanklage stehenden Schriftstellers und zeigt auch die Weltwirtschaftskrise, den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg aus der Perspektive Falladas. Interviews mit Falladas Sohn Achim Ditzen und der Fallada-Biographin Jenny Williams runden den Film ab.  

Dr. phil. Sabine Koburger studierte Germanistik und Anglistik in Jena. Sie hat zahlreiche Aufsätze und eine wissenschaftliche Monographie zu Fallada publiziert. Seit Januar 2015 ist sie Chefredakteurin der Halbjahresschrift der Hans-Fallada-Gesellschaft Salatgarten.

Sendetermin auf ARTE: 23. November 2016  

Eintritt frei
Eine Kooperation mit dem Sender ARTE, Kulturpartner des Netzwerks der Literaturhäuser

Ort: Literaturhaus Rostock, Doberaner Straße 21 (Möckelsaal)

17. Oktober 2016 | 20:00 Shida Bazyar: „Nachts ist es leise in Teheran“

Lesung & Gespräch Moderation: Ulrika Rinke (Literaturhaus Rostock) In Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung M-V[mehr]

Am 17.10.16 war Shida Bazyar im Literaturhaus zu Gast. In ihrem Debütroman „Nachts ist es leise in Teheran“ kommt mit einem Abstand von zehn Jahren jeweils ein Familienmitglied zu Wort und erzählt uns seine Sicht der Welt – von den kleinen Alltagssorgen bis hin zu gesellschaftlich-politischen Fragen.

Bazyar las aus jedem der vier Teile einen Ausschnitt vor und ließ uns an ganz unterschiedlichen Situationen teilhaben: 1979 ein junger Mann, der sich von der Revolution im Iran Aufschwung für den Sozialismus erhofft. Zehn Jahre später ist es seine Ehefrau, die über ihr Leben in Deutschland, über das Verhältnis zu den neuen deutschen Freunden und den veränderten Blick auf ihren Mann spricht.
1999 erzählt die älteste Tochter, wie sie den Iran, den sie als kleines Mädchen noch erlebt hat, über ein Jahrzehnt später als junge Frau wahrnimmt. Der mittlere Sohn nimmt uns 2009 mit in seine Lebenswelt und seine Gedanken über die grüne Revolution.

Hier sind zwei Generationen, zwei Länder und zwei Revolutionen im Blick. Durch ihre mehrdimensionale Erzählstruktur verleiht Shida Bazyar der dargestellten Lebenswelt eine extreme Authentizität. Dieselben Ereignisse werden von verschiedenen Personen nie gleich erlebt – hier kann sich jeder Leser und jede Leserin bei der Lektüre selbst in seinem Inneren „quasi weiterschreiben“, wie die anderen  Familienmitglieder Situationen erlebt haben, die sie selbst nicht erzählen.

Doch nicht nur der Textaufbau, sondern die Erzählweise an sich bestach durch eine Verwebung aus sprachlicher Einfachheit und Klarheit sowie komplexen Inhalten. Hier wurde ganz eindrücklich erlebbar, dass tiefe Inhalte nicht in komplizierte Schachtelsätze verpackt werden müssen.  

Spannend für das Publikum war auch zu hören, wie die Autorin ihren Stoff erarbeitet hat und „wie das so ist“, ein Buch zu schreiben. Shida Bayzar hat auch darüber gesprochen, wie sich Figur und Setting gegenseitig bedingen. Ein außergewöhnliches Lesungserlebnis mit einer jungen Autorin!  

Svenja Güttler (Studentin an der Universität Rostock & Praktikantin im Literaturhaus Rostock)  

13. Oktober 2016 | 19:00 Hans Coppi jr., Sabine Kebir: „Ilse Stöbe – Wieder im Amt“

Lesung & Gespräch im Rahmen des „Politischen Donnerstags“ / Peter Weiss 100 Moderation: Dr. Hella Ehlers[mehr]

Eine ungewöhnliche Frau, endlich rehabilitiert: Ilse Stöbe wurde 1942 im Rahmen der „Aktion ‚Rote Kapelle‘“ verhaftet und vom NS-Regime ermordet. Ihre Tätigkeit als Aufklärerin für den sowjetischen Geheimdienst wurde in der Sowjetunion wie in der DDR erst spät als Widerstandskampf anerkannt. Auf der anderen Seite der Mauer wurde sie hingegen lange Zeit „als Spionin stigmatisiert: geltungssüchtig, verschwenderisch und sexbesessen“ (FAZ). Erst 2014 wurde sie im Auswärtigen Amt offiziell geehrt; die biographische Studie von Hans Coppi jr. und Sabine Kebir trug dazu bei.

Dieser Abend würdigt Ilse Stöbes Arbeit im antifaschistischen Widerstand. Zugleich bietet er Anknüpfungspunkte zum Werk von Peter Weiss: Sein Roman „Die Ästhetik des Widerstands“ greift die Geschichte der „Roten Kapelle“ und die der Ilse Stöbe auf. Im Gespräch mit der Literaturwissenschaftlerin Dr. Hella Ehlers schlagen Sabine Kebir und Hans Coppi den Bogen von der realen Person zu ihrer Darstellung im Roman.

Hans Coppi junior, geboren 1942 im Berliner Frauengefängnis Barnimstraße, wuchs nach Ermordung seiner Eltern durch die Nationalsozialisten bei den Großeltern auf. Er ist promovierter Historiker und seit 2004 Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Sabine Kebir, geboren 1949 in Leipzig, Studium der Fächer Italienisch, Französisch und Russisch, Promotion. 1977 bis 1988 lebte sie in Algerien und lehrte dort an verschiedenen Universitäten; 1989 Habilitation im Fach Politologie. Sie arbeitet als Publizistin, Literaturwissenschaftlerin, Politologin, Autorin wissenschaftlicher Sachbücher und Belletristik.

Eine Kooperationsveranstaltung mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung M-V und dem Verein Soziale Bildung e.V.

Ort: Literaturhaus Rostock, Doberaner Straße 21
Eintritt frei

09. Oktober 2016 | 18:00 mawil: „Kinderland“

Comic-Lesung [mehr]

In mawils Mauerfall-Coming-of-Age-Comic „Kinderland“ gibt es viel wiederzuerkennen - das geht schon mit der typischen Kinderzimmerausstattung auf den ersten Seiten los. Wem solche Details nichts mehr sagten, der konnte umso mehr mit der Außenseitergeschichte des Helden Mirco anfangen. Oder mit Tischtennis!

Einige Szenen las der Autor und Zeichner mit verteilten Rollen vor: Er sprach die männlichen Charaktere; Ulrika Rinke vom Literaturhaus Rostock übernahm die weiblichen Stimmen von Klassenkameradin bis zu systemtreuer Russischlehrerin.

Aber es ging nicht nur um „Kinderland“: Vor der eigentlichen Lesung erzählte mawil, natürlich anhand von Zeichnungen, auch von Ausbildung und Alltag eines Comiczeichners und vom Making-of einer Graphic Novel - nicht nur für die Teilnehmer des Comic-Workshops am Nachmittag hochinteressant!

Wer ein Buch signieren ließ, bekam richtige Zeichnungen dazu und (nach Wunsch) Aufkleber. Müssen wir noch dazusagen, dass es schön war? Nein, oder?

04. Oktober 2016 | 20:00 Carola Weider: „Kora“

Buchpremiere in der Reihe „Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern" Moderation: Dr. Wolfgang Gabler[mehr]

„Wir sterben immer am Leben, nicht an den Krankheiten.“ 

Mitte der Achtzigerjahre, im Osten des noch geteilten Berlin: Kora, eine junge Krankenschwester, trifft in der Pathologie des Krankenhauses auf den deutlich älteren Sektionsassistenten Ivan. Seine Existenz im Dienst des Todes fasziniert Kora unabweisbar, und eine dramatische Beziehung nimmt ihren Anfang.

Carola Weiders Debütroman ist der neunte Band der vom Literaturhaus Rostock herausgegebenen Reihe Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern. Für Wolfgang Gabler, der das Buch als Lektor begleitet hat, reichen die literarisch-ästhetischen Wurzeln des Romans „in die Literatur von Joyce, Kafka, Döblin, Musil“ (aus dem Nachwort).

Carola Weider, geboren 1967 in Berlin, arbeitete dort bis 2007 an verschiedenen Krankenhäusern. Sie studierte danach am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, veröffentlichte Texte in zahlreichen Anthologien und Zeitschriften und erhielt mehrere Preise und Stipendien. Carola Weider lebte mehrere Jahre in Mecklenburg-Vorpommern; die Arbeit an ihrem Roman wurde durch ein Stipendium der Hansestadt Rostock unterstützt.

Eintritt: 7,- € / 5,- € ermäßigt*

(Ermäßigung für Schüler/innen, Studierende, Inhaber/innen des Warnow-Passes, Abonnent/innen des BUECHER-Magazins und Mitglieder im Literaturhaus-Verein)

Ort: Literaturhaus Rostock, Doberaner Straße 21 (Möckelsaal)

30. September 2016 | 20:00 „Ich – er – ich“: Emmanuel Carrère übersetzen

Lesung & Gespräch mit Claudia Hamm Moderation: Prof. Dr. Albrecht Buschmann [mehr]

Am 30. September ist Hieronymustag – der internationale Tag der Übersetzer, die literarische Werke in einer anderen Sprache neu erschaffen. Wir haben die renommierte Übersetzerin Claudia Hamm eingeladen, die derzeit vor allem am Werk von Emmanuel Carrère arbeitet – ein Autor, der in Frankreich so berühmt ist wie Michel Houellebecq. Seine Romane und Essays übersetzt sie für den Berliner Verlag Matthes & Seitz. Zuletzt erschien „Das Reich Gottes“, in dem sich Carrère sehr persönlich mit der Frage beschäftigt, was uns in unserem Leben als Kompass dient und wie die frühen Christen zu solch radikalen Werten fanden wie dem, dass es besser sei, arm zu sein als reich. Den Romanen Carrères widmet sich Claudia Hamm in der Abendveranstaltung, die Prof. Dr. Albrecht Buschmann (Universität Rostock, Institut für Romanistik) moderiert: eine großartige Gelegenheit, um das Werk eines aufregenden Autors kennenzulernen. Zugleich werden die Herausforderungen im Umgang mit ihm und seinen nah an der eigenen Person erzählten Texten thematisiert: Wie ist es, als Übersetzerin einem fremden Text die eigene Sprache zu geben und in ihm »ich« zu sagen? Claudia Hamm, 1969 in Jena geboren, studierte Philosophie und Germanistik in Paris, Antofagasta (Chile) und Freiburg. Nach dem Studium arbeitete sie als Theaterregisseurin, Autorin von Bühnentexten, Performerin und Übersetzerin aus dem Französischen. 2016 wurde sie mit dem Übersetzerpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft ausgezeichnet und war für den Preis der Leipziger Buchmesse im Bereich Übersetzung nominiert. Die Rostocker Veranstaltungen zum Hieronymustag sind Kooperationen zwischen der Universität Rostock (Institut für Romanistik), der anderen buchhandlung und dem Literaturhaus Rostock und werden von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert. Eintritt: 7,- €/ 5,- € ermäßigt Ort: andere buchhandlung (Wismarsche Str. 6/7)

30. September 2016 | 16:00 Die Gläserne Übersetzerin

Live-Übersetzung mit Claudia Hamm[mehr]

Am 30. September haben wir den Hieronymustag gefeiert – den internationalen Tag der Übersetzer, die literarische Werke in einer anderen Sprache neu erschaffen. Wir haben die preisgekrönte Übersetzerin Claudia Hamm eingeladen, um in der Performance „Gläserne Übersetzerin“ ihre Arbeit in Echtzeit kennenzuerlenen - und mitzumachen!

Gemeinsam haben wir in zwei Stunden (sonst ist sie natürlich schneller!) eine Passage aus Emmanuel Carrères „Un roman russe“ („Ein russischer Roman“) bearbeitet, der 2017 bei Matthes & Seitz erscheinen wird. Welche kleinen Feinheiten Sprachen auch neben den Vokabeln unterscheiden - erstaunlich. Und wie einfach ein französischer Satz Sachverhalte verbinden kann, für die das Deutsche drei Sätze braucht ...

Auch erstaunlich: Mit so viel Zulauf hatten wir an einem Freitagnachmittag gar nicht gerechnet. Insgesamt 25 Gäste fanden sich im Seminarraum ein, schauten zu oder machten auch gleich mit. Eine Besucherin war sogar extra aus Leipzig angereist, um die Performance und die Abendveranstaltung mit Claudia Hamm mitzuerleben.
Ein großer Dank an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer - und an die Weltlesebühne und die Robert-Bosch-Stiftung für Förderung und Koordination!